Weihnachten kommt – die Sommerferien müssen geplant werden, und man weiß nicht recht, was man tun soll? Dieses Problem stellte sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des IAYC 2012, des International Astronomical Youth Camp 2012, nicht. Sie machten sich Anfang August auf die Reise an einen abgelegenen Ort in Bayern, Deutschland, wo sie planten, drei Wochen lang mit anderen Leuten zusammenzuleben und Astronomie zu betreiben. Manche hatten eine lange Anreise vor sich, kamen sie doch aus allen erdenklichen Winkeln der Welt, wie zum Beispiel den USA, aus Kanada, Venezuela, Australien, Indien, Deutschland, Neuseeland oder Österreich. Da man in all diesen Ländern natürlich nicht nur eine einzige Sprache spricht, war Englisch als die Camp-Sprache festgelegt worden.
Gastbeitrag von Klaus Kieneswenger (begeisterter Teilnehmer 2012), denn im Sommer 2013 soll dieses Ferienlager wieder in Deutschland stattfinden. Wir hoffen, dieser Bericht vom letzten Jahr macht Euch neugierig: Nutzt doch einfach die Gelegenheit der kurzen Anreise binnen des Landes, um es mal auszuprobieren – und vllt schenkt Euch ja Eure Familie nächstes Jahr eine entferntere Reise ins IAYC. :-)
Abb.: Himmel über Bayern – Foto von Josh Veith-Michaelis
Als die ersten Besucherinnen und Besucher eintrafen, merkte man bereits den Unterschied zwischen jenen, die das Camp in der Vergangenheit bereits besucht hatten und jenen, die es in diesem Jahr zum ersten Mal besuchten. Während erstere einander in die Arme fielen, standen manche „Neulinge“ noch etwas schüchtern nebenbei und beobachteten die Szenerie. Allerdings blieben jene „Fremde“, mit denen man die nächsten drei Wochen zusammenleben sollte, nicht lange fremd: Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden vom Leader Team mit freundlichen Worten begrüßt, und bald begann man, seine Mitbewohnerinnen und Mitbewohner besser kennen zu lernen.
Nach der Ankunft musste man sich zunächst an den etwas ungewöhnlichen Tagesrhythmus gewöhnen: „Frühstück um 12.00 Uhr? Wie cool!“, konnte man einige jubeln hören. Doch warum dem so war, wurde allen spätestens nach den ersten paar Tagen klar: dann nämlich, wenn man schon einige Nächte damit verbrachte, den wunderschönen Sternenhimmel zu bewundern und zu beobachten, der sich – weitab jeder größeren Stadt und ihrer störenden Lichtquellen – in all seiner Pracht präsentierte.
Abb.: Kursleiter beim Einstellen eines Teleskops (Martin Pancisin)
Sobald sich alle Mitglieder in ihren Arbeitsgruppen eingefunden hatten, begann man, an verschiedensten Projekten zu arbeiten: ob man nun astronomische Ereignisse mithilfe des Computers nachstellte, sie durch Teleskope beobachtete oder gar eine eigene Sonde zur Messung atmosphärischer Daten mithilfe eines Ballons aufsteigen ließ – der Neugier waren keine Grenzen gesetzt.
Abgesehen davon vertrieb man sich mit verschiedensten Aktivitäten die Zeit. Hierfür war das NAP, das Non-Astronomical Program, vorgesehen, in dessen Rahmen verschiedene Wettbewerbe und Spiele – entweder zwischen den Arbeitsgruppen oder aber mit der gesamten Gruppe – veranstaltet wurden. An einem National Evening konnte man einiges über die Herkunftsländer der übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie deren Kulturen erfahren. Manchmal wurde man auch mit kulinarischen Köstlichkeiten aus allen Ecken der Welt begeistert.
Abb.: Gruppenspiel beim “Nicht-Astronomischen Programm” (NAP)
Ein Tag, ein besonderer Tag, begann schon unverhältnismäßig früh, denn es war etwas Großes geplant: ein Ausflug in die Stadt München, die erkundet werden durfte. Doch nicht München war der Höhepunkt dieses Ausfluges, sondern der Zwischenstopp zuvor: der Zwischenstopp am DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Der Besuch am DLR umfasste nicht nur einen Einblick in die Funktionsweise dieser Einrichtung, sondern auch Fachvorträge, in denen die Besucherinnen und Besucher mehr über die Aufgabenbereiche des DLR erfahren konnten.
Neben dem Besuch am DLR war der Start des Forschungsballons der praktischen Arbeitsgruppe einer der Höhepunkte des Camps: Dieser Ballon nahm beeindruckende Bilder vom Camp-Gelände und dessen Umgebung auf.
Abb.: Unser Schullandheim – Foto aus der Luft, aufgenommen von der Working Group “Probe Launching and terristrial Observation” (PLUTO).
Nach wenigen Tagen war der Tagesablauf bei allen Beteiligten in Fleisch und Blut übergegangen, und die Tage vergingen wie im Flug. Viel zu schnell näherten sich die letzten Tage des Camps, und den Leuten wurde klar, dass man langsam von allen Freundinnen und Freunden, die man im Laufe der letzten drei Wochen gewonnen hatte, Abschied nehmen musste. Am Abend des letzten Camp-Tags setzte man sich zu den anderen in den Kreis um ein Lagerfeuer und ließ die vergangenen drei Wochen Revue passieren.
Als am Tag der Abfahrt der Zug die Station verließ, blickte so mancher ein bisschen wehmütig auf die Geschehnisse und Eindrücke der letzten drei Wochen zurück. Aber Traurigkeit und Wehmut werden dadurch gemindert, dass das nächste Jahr sicher kommt – und mit einem neuen Jahr auch ein neues Camp: das IAYC 2013!
NEXT CAMP
Termin:
21. Juli bis 10. August 2013
Ort:
Jugendherberge Klingenthal (auf dem Sportplatz könnt Ihr den Ball nicht nur ins Aus spielen, sondern ins Ausland – nämlich nach Tschechien)
Webseite mit Infos:
http://iayc.org und General Org Eva erreicht Ihr bei Fragen unter: info@iayc.org
„Wodka, -30 Grad Celsius, Permafrostboden. Warum fahrt ihr denn nach Sibirien?“
Das war die Reaktion der meisten Erwachsenen wenn wir erzählt haben, dass wir nach Sibirien fahren. Wir hätten vielleicht antworten sollen: „Um eure Vorurteile zu begraben und mal gegen den Strom zu schwimmen. Uns interessiert Russland und ganz besonders Sibirien nämlich.“ Sibirien, das ist der astiatische Teil Russlands und “wir” sind beide 16 Jahre alt und gehen in die 10. Klasse des Gymnasiums Othmarschen in Hamburg.[@more@]
Dies ist ein Gastbeitrag von Katharina Goldt & Jessica Quandt … zwei Jugendliche aus Hamburg, die von ihren Erfahrungen beim Austausch erzählen. [Anm. SMH]
Stattdessen haben wir geantwortet: „Wir nehmen an einem wissenschaftlichen und kulturellen deutsch-russischen Jugendaustausch in Novosibirsk und Iskitim teil. In Sibirien kann man nämlich besonders gut den Venustransit in seiner ganzen Länge beobachten. Die nächste Möglichkeit dazu gibt es erst wieder in 105 Jahren.“ Diese Aussage war ja auch richtig.
[Abb.: Montage, SMH 2012 - Planetarium Novosibirsk, dahinter die Sonne beim Venustransit (Foto von Arndt Latußeck), kurz nach dem zweiten Kontakt, umgeben von einem Halo (am selben Tag später, aufgenommen in Krasnojarsk von Guido Langer)
klick aufs Bild vergrößert's]
Reisebericht
Unsere Reise begann am Hamburger Flughafen, wo wir uns mit einer Gruppe von anderen Jugendlichen, d.h. Schülern und Studierenden von der FNJ (Fördergemeinschaft für naturwissenschaftliche Jugendarbeit e.V.) trafen. Gemeinsam flogen wir über Kiew (Ukraine) in das rd. 4.500 km weiter östlich liegende Novosibirsk.
(Abb. erstellt mit Google)
Dort wurden wir sehr herzlich begrüßt. Wir waren glücklich über unsere netten Gasteltern und –geschwister, die uns mit offenen Armen empfingen, ihre Wohnungen mit uns teilten und sehr um uns bemüht waren.
Etwas müde und sehr aufgeregt freuten wir uns schon auf die gemeinsame Woche, deren Höhepunkt der Venustransit sein sollte.
Bei dem Venustransit schiebt sich die Venus zwischen Erde und Sonne. Von der Erde aus können wir sie als einen Schwarzen Punkt, so groß wie ein Tischtennisball über die Sonne wandern sehen. In diesem Jahr verlief der Transit von der linken Oberen Seite der Sonne zur rechten oberen Seite, und nicht wie 2004 von der linken unteren Seite zur rechten unteren Seite.
[Abb.: links aus einem Komposit von Webcam-Aufnahmen von André Müller (Jena, 2004), rechts erstellt aus den Fotos von Arndt Latußeck (Krasnojarsk, 2012) - beides bearb. mit Giotto und TheGimp]
Das ganze Spektakel hat 6,46 Stunden gedauert. In dieser Zeit hatten wir in einem örtlichen Planetarium die Möglichkeit, mit sehr guten Teleskopen und Computern, den Transit beobachten und fotografieren zu können.
Daneben hatten wir ein strammes Programm, zu dem der Besuch eines Russischen Balletts, des Zoos, des Atomzentrums, einer heiligen Quelle, einer Raumfahrtausstellung in dem Aerokosmisches Lyzeum, und des Planetariums gehörte. Natürlich gab es für uns auch eine Stadtführung, denn Novosibirsk ist die drittgrößte Stadt Russlands.
Wir lernten das Leben der russischen Familien kennen. Die Russen sangen Lieder für uns und wir ernährten uns von traditionellem russischen Essen. Wir sangen einige deutsche Lieder und erzählten ihnen von Deutschland. Wir mussten viele Fragen beantworten, z.B. ob es denn stimme, dass in Deutschland kein Müll auf der Straße liegt. :-)
Sehr schön war es, wenn sich ganz unwillkürlich abends eine Hausparty ergab, bei der gesungen, gelacht und gebacken wurde, russische Spezialitäten, versteht sich. Bei einem gemeinsamen Videospiel- Abend wurden wir sogar von unseren Gastgeschwistern bekocht.
Wenn man so beisammen sitzt, lernt man sich näher kennen, auch wenn ein Internetübersetzer ständiger Begleiter der Kommunikationen war. Allgemein kam es uns so vor, dass unsere Gastfamilien immer fröhlich waren, viel gesungen und viel gelacht haben.
Wir lernten wunderbare Gastfreundschaft kennen, wenn uns spontan noch eine Sehenswürdigkeit gezeigt oder wir mit russischer Schokolade als Geschenk für unsere Eltern zu Haus überhäuft wurden.
Der Abschied fiel allen sehr schwer, denn wir hatten uns bereits in dieser kurzen Zeit sehr aneinander und an den gemeinsamen Tagesablauf gewöhnt.
Schau hinter die Fassade!
Alles in Allem war es ein sehr lohnenswerter Austausch. Wir haben ein neues Bild von den Russen bekommen. Jessica sagte am Abschlussabend: “Es gibt eine wichtige Sache, die ich hier in Russland für das Leben gelernt habe. Wenn man die Häuser in Russland von außen sieht, erschrickt man erstmal, da sie sehr schäbig, heruntergekommen und dreckig erscheinen. Doch geht man hinein, steht man in schönen, gemütlichen und sauberen Wohnungen. So ist es bei den Menschen auch, auch wenn Menschen äußerlich vielleicht unscheinbar, langweilig wirken, wird man sich wundern, welch Wunderbares in diesen Menschen steckt.“
Video von Elena aus Novosibrisk:
Auf die Frage, ob es sich lohnt nach Sibirien zu fahren, antwortet Katharina: “Es kommt darauf an, was man erwartet.” Romantische Vorstellungen mit schönen Gebäuden und unberührter Natur werden sicher ernüchtert, denn obwohl es diese durchaus gibt, so sind sie eben doch eher rar in der Großstadt. Natürlich gibt es die goldenen Kuppeln der orthodoxen Kirchen, aber die normalen Wohnhäuser (von denen es mehr gibt als Kirchen) sehen für unsere Augen eher heruntergekommen aus.
[Abb.: Jugendsternwarte in Krasnojarsk während des Venustransits 2012, Foto: Cornelia Lücke]
“Doch in dem Sibirien, das aus der Ferne groß und kahl wirkt, kann man wahre Schätze entdecken: eine wunderbare Natur, schöne alte Gebäude und liebenswerte Menschen.” Dafür lohnt sich Russland auf jeden Fall. Russland ist wunderschön auf seine Art.
Nach einer aufregenden und interessanten Woche in Sibirien bei fast 30 Grad Celsius kamen wir ins 18 Grad kühle Hamburg zurück und dachten:
„Liebe Erwachsene, bevor ihr uns mit Halbwissen belehrt, fahrt lieber selber hin. Sibirien ist nicht so, wie ihr denkt!“
es war eine schöne Zeit – aufregend, spannend, erlebnisreich, … deutsch-russisch … :-)
Gimmick:
Historisch wird metaphorisch oft von der “Hochzeit der Sonne mit der Venus” gesprochen. Ich habe mal eine andere Interpretation verbildlicht: Die Krönung der Sonne durch die Venus!
Dem Bild ist das tatsächliche Pfad-Komposit zugrunde gelegt (gedreht, farbkorrigiert und mit einem Sonnen-Gesicht überlagert :-) ).
Gastbeitrag von Martha Zydron, einer Schülerin aus Berlin … erzählt von den Sehenswürdigkeiten im hohen Norden, großartigem Wetter unter der Mitternachtssonne und zeigt Tycho Brahes Insel.
01. und 02.06. – Lange Anreise trotz kurzer Strecke:
Moderne Transit-Expeditionen sind auch noch kleine “Abenteuer”, aber normalerweise nicht mehr lebensgefährlich (wie noch im 18. Jh.), sondern nur noch langwierige, beschwerliche Reisen: Leider kann man z.B. von Berlin nach Tromsö nicht direkt fliegen, sondern muss ein City-Hopping über sich ergehen lassen. Insofern haben die Jugendlichen der Tromsoe-Expedition einiges durchgemacht: Obwohl sie sich schon am Freitag Abend um 19 Uhr am Flughafen Tegel trafen, kamen sie erst am Folgetag gegen Mittag an. Nicht, weil der Flug so lange gedauert hätte, sondern weil sie zwei(!)mal umsteigen mussten und noch dazu ca. 8 Stunden Wartezeit auf dem Flughafen Oslo hatten. Alternativ hätte ich sie auch über Riga schicken können, dann wären sie länger in der Luft gewesen und der Flug wäre noch billiger geworden. Aber das und die zugehörige Airline wollte ich ihnen wahrlich ersparen: Es war schon gewiss genug Abenteuer! So flog man von Berlin nach Kopenhagen, von Kopenhagen nach Oslo und wartete dann stundenlang:
Nachts, kurz vor 00:00 Uhr in Oslo gelandet, holten wir unsere Koffer und checkten sie nach Tromsø für 8 Uhr ein. Wenigstens durften wir die Nacht bis zum Boarding (um 7:30 Uhr) im gemütlichen Duty-Free-Bereich verbringen. Allesamt in der Lobby von Gate 20 unzufrieden in der Sonne wartend, munterte Herr Trebs uns mit Beobachtung und Sonnenschutz-Brillen auf, die uns am Tag des Transits zur Beobachtung verhelfen sollten.
Im Gegensatz zu den 8 Stunden am Flughafen, vergingen diese 2 Stunden wie im Flug ( ;-) ) und wir kamen im (noch) kalten und bewölkten Tromsø an, wo Herr Schmidt (Wissenschaftsreisen) auch schon auf uns gewartet hat. In zwei Gruppen aufgeteilt, fuhr uns Herr Schmidt mit seinem Transporter in die UiT zur Sternwarte, wo wir die Venus-Transit Konferenz besucht haben. Wir waren nach der anstrengenden Reise so kaputt, dass fast alle für einen kurzen Moment eingeschlafen sind, sogar Herr Trebs!
Um 16:30 Uhr gab es noch eine Vorführung des Transits im Planetarium und die Leute aus der Sternwarte spendierten uns ein üppiges Essen… Am Camping-Platz angekommen richteten wir uns in unseren Hütten ein und konnten den Tag gemütlich ausklingen lassen. Die Hütten, sowie die sanitären Anlagen waren sehr sauber und um uns herum gab es reichlich Gebirge, Flüsse, Wasserfälle – einfach toll! Nur die Sonne wollte einfach nicht untergehen?
Abb.: Die beiden Betreuer in einem einsamen Augenblick in Tromsoe
03.06.2012 – Zwei Workshops, Bergwandern und Mücken
Nach dem Ausschlafen sind wir um circa 12 Uhr zum Camping-See gelaufen. Am Ufer dieses idyllischen Fleckchens erklärte uns Herr Trebs etwas zu der Kameratechnik, bzw. zu den Schutzfolien für die Kameras, die für den Transit nötig waren.
Anschließend gab es ein Construction Game: In Grüppchen bekamen wir die Aufgabe, mit sehr wenig zur Verfügung gestelltem Material eine Konstruktion zu basteln, mit der ein rohes Ei beim Sturz aus 3 m Höhe geschützt bleiben sollte… Der Versuch war recht erfolgreich und es konnte kein Gewinner gekürt werden, da nur eines der vier rohen Eier zu Bruch gegangen war.
Zurück im Camp, packten unsere Sachen und brachen auf, um einen der Berge in Tromsdalen zu erklimmen – Schnee! Viele Mückenangriffe, sehr rutschig, aber klimatechnisch angenehm warm. Auch der Ausblick war atemberaubend und lud zu einer schicken Panoramafotographie von Tromsø ein.
04.06.2012
Um 10 Uhr waren alle startklar zum Besuch zweier Museen mit Herr Schmidt. Gegen Mittag (13 Uhr) besuchten wir als erstes das Polar-Museum, welches am Hafen, an einem riesigen Strand (1 Meter), uns die polare Geschichte nahgebracht hat. Sehr beschaulich, aber dezent in der Größe, wie das Museum war, waren auch schon alle nach einer Stunde durch.
Die interessantere Variante war Polaria, welche folgte. Etwas weiter vom ersten Museum entfernt, erreichten auch wir es schließlich zu Fuß und wurden mit einem Film zu Polarlichtern begrüßt. Betrachten konnte man eine Vielfalt von Meerestieren aus dem Polargebiet, sowie eine Robbenshow, in welcher die Tiere gefüttert wurden und Kunststücke vollbracht haben. Um 16 Uhr trennten sich die Wege unserer Gruppe für individuelle Freizeitgestaltung. Die einen fuhren ins „Sentrum“, die anderen in den Norden Tromsøs und am Abend wurde das erste Fotomaterial gesammelt und angeschaut.
05.06.2012
Früh ging es in 2 Gruppen los zum EISCAT. Um 10 Uhr begann dann der deutschsprachige Vortrag, in dem uns ein Wissenschaftler über deren Arbeit in der Radaranlage erzählt hat und wie die Nordlichter entstehen/gemessen werden. Die Gruppen wurden ebenfalls an die Radaranlagen ran geführt, sowie an den Kontrollraum und dem Herz der Anlage. Interessante Erklärungen und Erläuterungen prägten die Führung. Nach circa 2 Stunden ging es dann auch schon mit Herr Schmidt zurück.
Nun war Schlafen angesagt, denn man wollte in der folgenden Nacht ja ein anspruchsvolles Programm durchziehen! … und “willst du große Dinge tun, musst du vorher ordentlich ruhen”. Um 20 Uhr wurden dann die letzten Vorbereitungen getroffen, Schlafsäcke wurden eingepackt (und die Campingdecken…) und es wurde sich dick eingekleidet. An der Seilbahn angekommen fuhren wir mit Herr Schmidt und dem Equipment zur Beobachtung auf die Spitze eines naheliegenden Berges. Nun wurden Schutzfolien gebastelt und aufgebaut. Viele Menschen kamen aus verschiedenen Ländern an, um den Transit mitzuerleben, es wurde untereinander ausgetauscht und es gab sogar ein Teleskop, wo man die Protuberanzen der Sonne betrachten konnte!
06.06.2012 – MITTERNACHTSSONNE MIT VENUS
Um 00:00 erfolgte schließlich der erste Kontakt der Venus mit der Sonne. Alle fotographierten eifrig drauf los. Viel positive Aufregung, aber auch große Kälte begleiteten uns bis zum zweiten Kontakt der Venus mit der Sonne und auch danach noch… Und dann ließ sich die Venus reichlich Zeit. Während die Kälte zunahm, setzten sich viele in die Berghütte, welches der Betreiber freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Immer wieder mal gesellten wir uns zu Herr Schmidts Standort, welcher nicht weit von uns gelegen war.
Ein Grüppchen machte sich noch auf zur höchsten Bergspitze und fotographierte nach dem turbulenten Weg von dort aus den Transit und Tromsø. Einige nahmen (leider) die letzte Seilbahn um 3 Uhr und kehrten dem einzigartigen Erlebnis den Rücken… Ein Teil hat sich in der Hütte schlafen gelegt, der andere unterstützte Herr Trebs und Herr Schmidt bis zum Schluss! Um 6:36 Uhr folgte der vorletzte Kontakt, hier stieg die Spannung erneut, bis es dann um 6:53 Uhr zum letzten Kontakt kam.
Die “Hochzeit der Venus mit der Sonne” … OUR LAST VENUS-TRANSIT!
Viele Fotos und Müdigkeit ließen die Verbliebenen noch in der Berghütte zurück, bis sie sich mit der ersten Seilbahn um 10:30 Uhr aus dem Staub machten. Nun folgte eine lange Periode des Schlafs. Doch auch Stadtbesuche oder einfach nur Entspannung waren angesagt. Nach dem Zusammenbringen des kompletten Materials, trafen wir uns noch einmal in der Gruppe und besprachen organisatorische Dinge für die folgenden und letzten Tage. Sogar Urkunden zur Teilnahme an der Beobachtung des Transits bekamen wir unterzeichnet von den Organisatoren, Frau Hoffmann und Herrn Schmidt. Anschließend ging es nach Kofferpacken und Duschen zurück ins Bett…
07.06.2012 – Kurze Entfernungen in Europa, zum Glück gibt’s im Schengenraum keine Grenzkontrollen mehr.
Drei Länder an einem Tag: Um halb vier morgens aufgewacht, drängelten auch schon die ersten zu Herr Schmidts Transporter. Unser Flug nach Oslo ging bereits um 6 Uhr am Morgen! Der kleine Tromsøer Flughafen war bereits rappel-voll, aber es lief alles ganz entspannt ab. Mit „Norwegian“ flogen wir dann circa 2 Stunden und hatten dann einen Aufenthalt für Stadtbesuche, bis wir den Flug nach Kopenhagen (Dänemark) antraten. Dort kamen relativ zügig in den Öresund-Express, der uns über die kilometerlange Öresund-Brücke nach Landskrona (Schweden) fuhr. Auch dies ging sehr schnell und unsere Jugendherberge war dann zu Fuß auch nicht mehr weit. Nach dem Einrichten fielen alle erschöpft in die Betten…
08.06.2012 – Tycho Brahe auf Hven (Ven)
Kurz nach dem Frühstück liefen wir durch Landskrona zum Hafen, um unsere Fähre auf die Insel Hven zu kriegen. Um 11:30 Uhr fuhren wir dann von Land und genau in dem Moment verschlechterte sich das Wetter zunehmend. Trotzdem reizte uns die Insel und wir machten einen langen Spaziergang durch die gemütliche Idylle zum Tycho Brahe-Museum.
Leider konnten wir keinen Unterschlupf auf dem Weg dorthin auffinden… In einem kleinen Glaskasten (endlich) wartend, quatschten wir noch ein wenig, bis wir endlich in das Museum durften. Leider sehr klein, aber auf jeden Fall sehr schön und vor allem interessant gestaltet.
Dann gingen wir zur Sternwarte, in der wir bereits erwartet wurden. Dort wurde uns nochmal in einer dunklen Atmosphäre die Biographie sehr anschaulich und spannungsvoll präsentiert. Der große vorteleskopische Astronom (1546 – 1601) lebte 21 lang auf dieser Insel – herrschte über seine Untertanen aber nicht sonderlich nett, weshalb diese all seine Geräten nach seiner Abreise zerstörten.
Abb.: Nachbau von Brahes Sternwarte “Stjerneborg” auf Hven mit unterirdischem Museum
Im Anschluss darauf liefen wir den langen Weg zum Hafen zurück und waren so nass, dass selbst so mancher Schuh schäumte… Da es bei der Ankunft in unserer Herberge in Landskrona schon spät war, trafen wir uns nur noch kurz in der Gruppe und sammelten nochmal Fotomaterial und ließen die Woche Revue passieren.
09.06.2012
Früh erwartete uns der Öresund-Express am Landskrona Bahnhof. Einmal mussten wir in Malmö Central umsteigen und checkten, am Flughafen angekommen, sofort ein (Die Schlange war lang…). Viel Zeit hatten wir nicht, also liefen wir durch die Personenkontrolle, nochmal schnell in den Duty-Free Shop und ab durch den Flughafen zum Terminal F (gefühlte 50 Kilometer) an Gate 7, wo der EasyJet schon wartete. Das Flugzeug war nahezu voll und Turbulenzen begegneten uns ohne Ende… aber wir sind pünktlich gelandet und unsere Koffer kamen blitzschnell auf das Gepäckband. In Berlin wurden wir Abenteurer wieder glücklich von unseren Familien empfangen.
Vielen Dank an die Gruppe, dass wir diese Fotos verwenden dürfen! Die einzelnen Bildautoren sind nach den Fotosammelaktionen an den Abenden für uns leider nicht mehr konkret zuordenbar – aber Ihr habt alle tolle Bilder gemacht!
Gimmick dieses Log-posts ;)
Nicht Jupiter! – Nein, dies ist die Venus vor der Sonne am 6. Juni 2012 … aber ein wirklich interessantes Bild. :-)
„Eine groʃse Anzahl von Gelegenheitsschriften hatte das gebildete Europa mit dem Zweck und der Wichtigkeit des 6. Junius bekannt gemacht.“ schreibt Johann Franz Encke 1822 auf S. 13 seines Booklets “Die Entfernung der Sonne von der Erde aus dem Venusdurchgange von 1761″.
Er stellt hier die Ergebnisse und Befunde verschiedener damaliger Expeditionen vor, die er später in der gleichen Schrift auswertet.
Unser modernes Analogon geht ein bißchen schneller, d.h. es braucht nicht zahlreiche buchstabengefüllte Seiten, sondern nur ein paar Bildserien: Astronomisch sind unsere Ergebnisse die folgenden:
Abb. von der Jugendexpedition in Russland
Auch für uns galt, was Encke schrieb “Eine Menge Liebhaber suchten in allen Ländern den Austritt so gut als möglich zu beobachten. Die Sternwarten unterstützten diese Bemühungen nach Kräften, und wo mehrere Astronomen angestellt waren, vertheilten sich diese in die nächste Umgebung, um nicht durch einzelne vorüber ziehende Wolken ihre Ziele vereitelt zu sehen.” [ebenda]
Abb. von der Jugendexpedition in Norwegen
… und diese Bildserie vom 3. Kontakt wurde von einem erfahrenen Hobby-Astronom zuhause in Berlin-Baumschulenweg von Wolfgang Rothe aufgenommen:
Auf S. 123 stellt Encke in einer Fußnote fest: „Eine Zusammenstellung der optischen Erscheinungen bei den Berührungen nach verschiedenen Beobachtern findet sich in R ö h l ‘ s M e r k w ü r d i g k e i t e n v o n d e n D u r c h g ä n g e n d e r V e n u s. G r e i f s w a l d 1768 …”, aber er beschreibt vorher auch selbst einige Kuriotäten ausgiebig, z.B. den Lomonossov-Effekt, gesehen durch verschiedene historische Beobachter, wiedergegeben in den Worten Enckes:
“Als sich die Venus dem Austritt näherte, sah W a r g e n t i n, daʃs Venus eine Oeffnung im Sonnenrande machte, indem ein zarter Lichtfaden, der zuvor den äuʃsern dem Austritte sich nähernden Rand der Venus umgeben hatte, im Augenblick in der Mitte zerriʃs, und seine Enden sich merklich voneinander zogen. Dieses nun mangelnde Licht war … das eigene directe Licht der Sonne; sonst hätte es nicht so schnell und deutlich verschwinden können. Mit einem stärkeren Fernrohre sah K l i n g e n s t i e r n a den Lichtfaden drei Secunden später bersten.
[...]
bis Venus ungefähr bis auf ein Viertheil ausgetreten war, und da kam es ihm vor, als sähe er einen matten Glanz, wie beim Eintritt, um den Rand der Venus, der schon aus der Sonne gezogen war. Er sah wie ein schmaler Ring auʃserhalb der Sonne aus, welcher völlig zu dem THeile der Venus in der Sonne paʃste und ihn gleichsam ergänzte. (…) er schien ihm von der Venusatmosphäre herzurühren.” (Encke 1822, S. 102)
Irgendwann war der Sonnenrad “so weit geöffnet, daʃs M a l l e t sich einbildete, Venus gienge schon ein kleines Stück ausser dem Sonnenrande heraus. Man sah die Hörner der Sonne zwerchüber, und ein Glanz umgab die Venus, und zeigte ihre runde Gestalt ganz klar.”
Die mittlere Sonnenparallaxe bestimmt Encke dennoch “aus den sämtlichen Beobachtungen des Venusdurchganges von 1761″ sehr genau zu 8,” 490525 und die Grenzen wären 8.”429813 — 8.”551237. (S. 143, ebenda)
Nachtrag vom 9. Juli:
Wie war das mit der Venusatmoasphäre???
Oha! – Ich habe mir immer gewünscht, dass meine Posts die Wissenschaft voran bringen oder vielleicht sogar mal eine wissenschaftliche Diskussion lostreten bzw etwas zu einer solchen beitragen. Da war ich nur mal eine Woche offline und anschl bis über beide Ohren mit Abrechnungen und Sachberichten der Venustransit-Expeditionen beschäftigt und siehe: Offenbar ist das hier geschehen, denn Daniel Fischer hat in seinem SkyWeek-Blog dies nicht nur aufgegriffen, sondern erstens auch in der dt. Astronmiegeschichte-Mailingliste die Frage aufgeworfen und den Diskurs offenbar sogar schon internationalisiert, wie in seinem Blog zu lesen ist.
Wer die Venusatmosphäre entdeckt hat?
…tja, das habe ich mich auch schon oft gefragt. Jedenfalls haben viele der erfahrenen Beobachter von 1761 und 1769 diese Dinge beobachtet.
Im Buch von Andrea Wulf: “Die Jagd auf die Venus”, 2012 (Rezension erscheint in diesem Blog demnächst, nachdem der Gastbeitrag der Schülerin ein paar Klicks bekommen haben wird) wird der deutsche Astronom Silberschlag als Entdecker der Venusatmosphäre genannt.
Lomonossov beschreibt Frau Wulf als Astronomen, der seine Assis in die Petersburger Sternwarte schickte (auf deren Daten bezieht sich auch Encke) und der selbst zuhause privat beobachtet, weil er sich zuvor ausgiebig mit einem deutschen Gastbeobachter gestritten hatte. Frau Wulf als Historikerin wird das gut recherchiert haben, also ich würde ihr in diesem Detail Glauben schenken (wenngleich sie in dem populistischen Buch keine Quellen angibt).
Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte der Wissenschaft, dass der Effekt einfach nach einer besonders charismatischen Person heißt oder nach jemandem, den man halt irgendwie ehren wollte, ohne dass dieser jemand der erste oder einzige war. Warum sollte das irgendwen überraschen? Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso Leute immer denken, dass die Sterne/ Effekte/ Phänomene nach dem ERSTbeobachter benannt werden: m.W. trifft das nur für Kometen und auch erst in der Neuzeit/ Moderne zu… aber ich schweife ab. O:-)
Lomonossov gleich das Namensgeberrecht abzusprechen, wie im Scherz vorgeschlagen wurde, wäre vielleicht ein bißchen übertrieben – nur, weil andere gleichzeitig das gleiche gesehen haben… Falls es überhaupt um eine Priorität gehen kann (*gesehen* haben’s gewiss alle “üblichen Verdächtigen” ungefähr gleichzeitig: geht ja nicht anders), dann um die Priorität der wiss. Publikation – und darüber wird man wohl in Daniels Blog noch ein bißchen diskutieren können.
Encke gibt in seinen Schriften von 1822, 1824 und 1835 viele Hinweise auf Sammlungen von Originalbeobachtungen. Um die ging es mir hier, um die Beobachtungen mit moderner Amateur- und Schulausrüstung in Relationen zu setzen, so wie ich es nunmal meistens zu tun pflege und es typisch für mich ist. Die historischen Beobachtungen würde ich alle durchzugehen vorschlagen. Vielleicht schaffe ich ja davon ein bißchen was im Sommer – zur AG-Tagung im September in Hamburg werde ich ja darüber etwas erzählen.
es war ein riesiger Aufwand! Es gab herbe Rückschläge … aber: im letzten Augenblick war dann doch alles gut!
Berlin – Freitag, 1.6. 2012: Abflug der Expeditionsgruppe nach Tromsö. Die Leitung haben ein befreundeter Berliner Lehrer, Jörg Trebs und eine Studentin. Ihr Expeditionskoffer mit Geräten meines ehemaligen Chefs an der Archenhold-Sternwarte, Eckehard Rothenberg wird von dem Wissenschaftsreisen-Eckehard Schmidt bereits mit dem Auto nach Tromsö gefahren. Die Gruppe startete also nur mit eigenem Gepäck nach Skandinavien und hofft lediglich auf gutes Wetter.
Hamburg, Berlin – Samstag, 2.6. 2012: Abflug der Expeditionsgruppe nach Krasnojarsk und Novosibirsk. In den Koffern der 15 Jugend-Teilnehmenden, 9 meiner Studierenden und 2 Betreuern sind 4 Teleskope inkl. Montierung, mehrere Feldstecher, zahlreiche Foto- und Videokameras verstaut. Bei der Zwischenlandung in Moskau stellt sich heraus: Der Koffer mit den meisten Instrumenten ist weg. Ich selbst war noch in Deutschland, fuhr in der Nacht nach Hamburg, um am Sonntag von dort abzufliegen: Unterstützt durch meine Hamburger Gast- und Doktormutter suche ich nach Telefonnummern, aber mitten in der Nacht erreichen wir niemanden an den Flughäfen und bei den Airlines.
Hamburg, Moskau, Krasnojarsk – Sonntag, 3.6.2012: Am nächsten Morgen telefoniere ich mit AirBerlin in Tegel: der Koffer wurde ins richtige Flugzeug gelegt, sei in Moskau und müsste nun auch bereits auf dem Weg nach Krasnojarsk sein. Dort fliegt die Gruppe los und ich reise mit einer Nachhut nach Moskau, wo wir den Tag damit verbringen, vom Flughafen Vnukovo nach Domodedovo durch die Stadt zu fahren. Mit voll gepackten Expeditionsausrüstungen in den Koffern von jeweils ca. 25 kg, einem separat zu tragenden klappernden Stativ und sehr schwerem Handgepäck ist das nicht trivial. Zwischendurch zahlreiche SMS von meinem Bruder, dessen Frau 17 Stunden lang zuhause in Berlin in den Wehen liegt und die Meldung der Gruppe in Krasnojarsk: Der Koffer mit den Instrumenten ist nicht mit ihnen angekommen, sei aber in Moskau und wird vllt mit unserem Flug oder einen Flug später mitkommen nach Krasnojarsk.
Krasnojarsk – Montag, 04.06.2012: Der Instrumente-Koffer ist noch immer nicht da und kam auch mit dem Flug am Folgetag nicht mit. Gruppenausflug ins Naturschutzgebiet Stolby – ein Tag Funkstille, keine Möglichkeit für uns zum Telefonieren. am Abend Info vom Flughafen Moskau: der Koffer war dort, aber ist versehentlich nach Taschkent verschickt worden.
Dienstag, 4.6.2012: Zufällig gibt’s heute einen Flug von Taschkent nach Krasnojarsk. Besuch der Organisatoren bei der Airline. Die Jugendgruppe macht das geplante Tagesprogramm unter Leitung von mehreren Betreuern an anderen Orten der Stadt.
Sorge um einen Teilnehmer: Für die Jugendgruppe gibt’s ein Problem: einer der Gastväter hatte am Morgen auf dem Weg zum Gruppentreffpunkt einen Autounfall. Ein Teilnehmer wird im Krankenhaus untersucht, hat aber keine sichtbaren Verletzungen. Bange Hoffnung, dass auch nichts Schlimmes im Inneren passiert ist! Gesundheit und Wohl meiner Mitmenschen, besonders der Schutzbefohlenen, haben für mich oberste Priorität: Muss ich meine Mission abbrechen und mit dem Teilnehmer heimfliegen? Er hat keine offenen Wunden oder sichtbare Verletzungen, aber wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung, möglicherweise Prellungen.
Schauplatz Orga: Heftiges Telefonat einer sehr energischen (wenngleich eine Stunde zu spät kommenden) Mitarbeiterin mit dem Flughafen von Taschkent. Der Koffer wurde dort noch nicht gefunden. Es ist schon fast 12 Uhr mittags. Der betroffene Teilnehmer wurde aus dem Krankenhaus entlassen, das Durch-Checken hat keine Verletzungen ergeben – er will und soll nur heute ruhen und sich schonen.
Ob der Koffer in Taschkent rechtzeitig gefunden und diesmal richtig verladen wird? Beschluss der Organisatoren: zu unsicher, denn wir wollen schließlich unbedingt Kontaktzeiten messen. Wir müssen einen Ersatz schaffen, um das historische Experiment zur Bestimmung der Astronomischen Einheit zu wiederholen.
Der betroffene Teilnehmer ist zuhause, schläft und wird von seinen Gasteltern betreut; der Gastvater ist glücklicherweise Arzt. Teilnehmer ist in guten Händen – es reicht, wenn ich mich am Nachmittag persönlich um ihn kümmere (denn sein zuhause ist am anderen Ende der Stadt und durch den kilometerbreiten Jenisseij-Fluss von uns getrennt). Wir fahren zur TAL-Filiale und kaufen zwei weitere Teleskope und ein paar Okulare, denn unsere sind im fehlenden Koffer.
Standort – Wo beobachten wir?
Abb.: Dach der Aerokosm. Uni beim vorbereitenden Fachkräfteaustausch im März 2011
Abgesprochen war im Vorfeld von unserer Kontaktperson vor Ort, dass wir auf dem Dach der Aerokosmischen Staatlichen Universität beobachten dürfen. Die Astronomen dort haben ein gläsernes Büro im Dachgeschoss mit Blick auf die Spitze der KOSMOS-Rakete, die vorm Eingangsportal steht. Wir schleppen also unsere neu erworbenen Teleskope aufs Dach der Uni, wo bereits einige Teleskope von den Astronomen vorbereitet sind und wir unsere dazu stellen können.
Bild vom Fachkräfteaustausch im März 2011 an der SibSAU (Sibirischen Staatlichen Aerokosmischen Universität)
Doch dann stellt sich heraus: Wir dürfen erst ab 9 Uhr dort beobachten. Der Transit beginnt bei uns um kurz nach 6 Uhr morgens. Wenn die Uni erst um 9 geöffnet wird, verpassen wir den 1. und 2. Kontakt – so, wie auch in Deutschland. Sergeij, der Astronom, telefoniert noch ein wenig herum – aber keine Chance: Wir dürfen nicht schon um 5 Uhr aufs Dach der Uni.
Deswegen sind wir doch extra nach Sibirien gereist! Deswegen haben wir diese beschwerliche Reise auf uns genommen, all die Mühen mit dem schweren Gepäck, den langen Diskussionen an den Flughäfen, Übergepäck gezahlt fürs sperrige Stativ: weil wir den 1. und 2. Kontakt sehen wollten und Kontaktzeiten messen wollten, auf dass wir diese zur Bestimmung der astronomischen Einheit mit historischer Methode auswerten wollten. Und jetzt soll uns diese Beobachtung verwehrt werden, weil ein Uni-Hausmeister nicht so früh aufstehen will, um uns aufzuschließen???
Suche nach alternativem Standort: Wieder will unser Gastbruder helfen. Er wohnt in einem Hochhaus am Hang mit Blick über die Stadt und fragt den Hausmeister, ob wir von diesem Dach beobachten dürfen. nach langem Hin und Her: Fehlanzeige. :-(
Wir (Orga-Team) trennen uns: Ich muss mich um unseren kranken Teilnehmer kümmern und ein Teleskop-Teil heranorganisieren, während mein Partner mit seinem Gastbruder ein paar alternative Standorte abklappert. Der Teilnehmer ist wach, als ich ankomme. Er kann alle Körperteile bewegen, Augenreaktion ist normal, Kopf drehbar. Er klagt nur über Rückenschmerzen wie “starker Muskelkater”. Medizinisch geschult betrachte ich den Rücken: reparabel, aber auch nicht auf die leichte Schulter zu nehmen – jedenfalls hat er immerhin wirklich großes Glück im Unglück gehabt. Er ist so weit erstmal fit und fühlt sich jetzt nach eigener Aussage durch viel Schlaf auch schon wieder viel besser! Dennoch müssen wir natürlich die Eltern verständigen – wenigstens kann ich diese jetzt ruhigen Gewissens trösten und beruhigen. Und wir können bleiben und Venustransit angucken.
Meine Kollegen auf Standortsuche besichtigen einen Standort außerhalb: sehr gute Horizontsicht, aber kein Stromanschluss. Letztlich dann doch: Dach vom “Haus der Pioniere und Schüler”, wo uns der Leiter der Astronomie-Abteilung, auch ein Sergei, alle Türen öffnet und uns mit Handkuss aufnimmt. Stromanschluss vorhanden, er selbst hat ein internationales Projekt in seiner Stenrwartenkuppel, d.h. qualifizierter Austausch mit Kollegen möglich, großes Dach mit Platz für viele Teleskope.
Einzige Sorge: steht die Sonne hoch genug, um über die umgebenden Häuser zu kommen? Er misst nach: Ja, sie schafft’s. Ok, also Standort dann klar. Es ist bereits 20 Uhr abends.
nachmittag: Wir haben noch einen Tubus und eine Montierung in meinem Koffer, ein separat transportiertes Stativ und ein abgeschraubtes Linsenobjektiv und diverse Einzelteile aus den Koffern unserer jugendlichen Austauschteilnehmer. Wir basteln nach der McGyver-Methode aus den Einzelteilen ein funktionierendes System. Unser Gastbruder Simion hat eine typische relativ leere Junggesellenwohnung. Er hat fast nichts, aber das, was wir brauchen, finden wir: ein paar Schießgummis, Gewebeband und als Gegengewicht für die Montierung die Gewichte seiner Trainingshanteln – passen, als wären sie für allein diesen Zweck geschaffen und da ich sie locker stemmen konnte, durfte ich sie nehmen.
Vorabend des Transits: Der Koffer wurde inzwischen in Taschkent gefunden und wird ins Flugzeug nach Krasnojarsk gesetzt. Es soll hier um ca. 1 Uhr nachts landen. Arndt und Simion fahren dann zum Flughafen: gegen 2:30 haben sie nach Ausfüllen aller Dokumente den Koffer endlich wieder bei sich! Hurra!
0:00 Uhr – ich muss die Transsib-Tickets für morgen kaufen, aber als ich den Bahnhof verlasse, zog eine dichte Bewölkung auf. Werden wir nun zwar unsere Instrumente haben, aber dem Wetter zum Oper fallen?
Abb.: Blick nach Nordosten: Sonne um 5:40 noch hinter Wolken
Mittwoch, 6.6.2012 – Der erste Kontakt wird bei uns um kurz nach 6 Uhr morgens erwartet. Meine fünfte Nacht mit nur 1-2 Stunden Schlaf (immerhin, denn Arndt und Simion hatten gar keine Zeit zum Schlafen oder wenigstens Duschen: sie sind definitiv die Helden dieser Geschichte!). 4 Uhr aufstehen. 5 Uhr am Beobachtungsplatz, der Himmel zieht wieder auf, nur nach Osten noch ein paar Stratocumulus-Wolken. Nach OSTEN?!?! Aber da geht doch gerade die Sonne auf. Der gestern vom Unfall betroffene Teilnehmer ist wieder auf den Beinen: Gott sei Dank! Er bewegt sich ein wenig schwerfällig, aber immerhin kann er sich gut bewegen und kann sogar bei uns dabei sein! Herr im Himmel sei Dank!
Der Koffer ist tatsächlich angekommen!!! Wir haben nun 6 Teleskope zur Verfügung; jeder Schüler hat eine SoFi-Brille, für mehrere Feldstecher werden noch rasch Sonnenfilter gebastelt.
Wir klettern auf Dächer von Schutzhütten und in die Kuppel. Von wo aus sehen wir den ersten Kontakt, falls er nicht in den Wolken hängt?
Erster Kontakt:
Eine Studentin zählt laut die Sekunden. Schüler-Teilnehmer an Teleskopen: einer guckt durch und beobachtet konzetriert und ein anderer sitzt jeweils daneben, bereit, die gehörte Uhrzeit zu notieren, sobald der Partner am Teleskop “jetzt” oder “Kontakt” ruft.
Die Wolken verhindern eine eindeutige Zuordnung. Erst Sekunden nach dem Kontakt erscheint die Venus klar, aber bereits deutlich über den Sonnenrand hinaus. Der erste Kontakt ist sowieso der schwerste: Nun einige Minuten warten, beim zweiten Kontakt kriegen wir’s besser hin – und die Wolke weicht auch.
Zweiter Kontakt:
Die Studentin zählt weiterhin die Sekunden. Alle Schülerbeobachter messen eine Kontaktzeit! Doch noch geschafft. Juchuh!!!
Jetzt ist die Sonne definitiv raus aus den Stratus-Wolken; es gibt nur noch Cirrus-Wolken, wegen der man dauernd die Belichtungszeit anpassen muss. ABER Der gesamte Verlauf des Transits konnte gut beobachtet werden; es wurde alle 20 Sekunden ein Bild aufgenommen und “jedes einzelne Bild ist ein Erfolg” sagt unser Fotograf Arndt Latußeck.
Vormittag:
friedliches Beobachten auf dem Dach des “Hauses der Pioniere und Schüler” mit unseren mobilen Teleskopen und auch in der Kuppel. Es gibt eine Konferenzschaltung der Russen mit einem kanadischen Team, die gleichzeitig mit unseren russischen Beobachtern in der Kuppel alle 4 min ein Bild aufnimmt.
Wir haben gleichzeitig eine Gruppe in Tromsö, die ebenfalls erfolgreich beobachtet. Auch dort ist der gesamte Transit sichtbar. Nur unser Beobachter in Boston, USA, meldet schlechtes Wetter.
3. und 4. Kontakt.
Bei uns war es bereits “high noon”, also kurz vor 13 Uhr Krasnojarsker Sommerzeit, als die Venus die Sonnenscheibe für die nächsten ca. 105 Jahre zu verlassen beginnt. Der dritte Kontakt wurde mit dem gleichen Verfahren wie oben wiederum erfolgreich gemessen und auch der vierte Kontakt ist eindrucksvoll genau bestimmt: fünfmal im sichtbaren Licht und einmal in H-alpha. Die visuellen Beobachter bestimmen beides mit einer Messunsicherheit von ca. 5 Sekunden und werden deutlich durch das Tropfenphänomen limitiert. Die Video-Aufnahme lässt sogar eine Bestimmung auf nur 1 Sekunde genau zu!
Ich bin stolz, dass meine visuell gemessene Kontaktzeit exakt (auf die Sekunde genau) die gleiche ist wie die, die wir nach dem Mittagessen mit dem Video bestimmen. :-)
Zwischen den beiden Kontakten beobachten wir fieberhaft, ob wir den Lomonossov-Ring sehen. JA! Zwar nicht vorzeigbar gut für Laienbeobachter, denn die Cirren sind mal mehr und mal weniger transparent und das Seeing auf dem aufgeheizten Dach ist grauenhaft. Die Ansätze des Ringes waren sehr deutlich, aber der Zenit des Bogens blitzte manchmal durch und verschwand gleich wieder (so habe zumindest ich es gesehen). Es war also nicht mustergültig und schwer fotografierbar. Aber: ja!!! Wir haben’s gesehen!
Und an alle Schüler- und Studierenden:
Ihr ward super!!!
Ein Schüler-Video (Ausschnitt):
Eine Frage bleibt: Warum schafft es eine so große Nation, die technisch hinreichend fortgeschritten ist, um Raketen und Raumstationen ins All zu schießen, es nicht, in Fernbahnhöfen Fahrstühle zu bauen, mit denen man sich nötigenfalls bewegen kann, wenn man schweres Gepäck dabei hat.
Gruß aus der transsibirischen Eisenbahn: In Tromsö und Krasnojarsk wurde der Venustransit bei sehr gutem bzw. gutem Wetter beobachtet. In Novosibirsk hat man auch geguckt, aber leider es wurden leider keine Messdaten aufgenommen.
Hier einer der drei oder vier russischen Fernsehbeiträge über uns in Krasnojarsk:
Und hier noch ein Beitrag über Irkutsk. Im März hatten wir noch kurzzeitig überlegt, ob wir nach Irkutsk fahren, aber das war zu kurzfristig, um noch umzuplanen:
Geniales Video aus Deutschland: Man sieht sogar durch die Refraktion die Venus doppelt:
Venustransit! … das Jahrhundert-Ereignis … Manche Astronomen sehen sogar zwei im Leben, manche sehen gar keinen. Seit Monaten sind die Astros in heller Aufruhr und inzwischen werden wir alle einigermaßen nervös: bitte, lass das Wetter gut sein! Der letzte Vorübergang der Venus vor der Sonne war 2004 und damals war in Mitteleuropa wunderbares, sehr heißes Wetter – man konnte den Transit in voller Länge bewundern. Ich selbst stand bis zum Umfallen in der Berliner Archenhold-Sternwarte am Teleskop und habe interessierten Besucherlingen erklärt, warum das für uns so aufregend ist.
Hier ein Zusammenschnitt von damals zum Lernen: Man erkennt deutlich den Tropfeneffekt beim Ein- und Austritt der Venus und eine dunkle Brücke von der Venus zum Sonnenrand, nachdem sie sich bereits längst gelöst hat. Ab und zu zogen Wolkenfelder durch. Was der Beobachter mit dem bloßen Auge kaum wahrnahm, registriert die Kamera gleich sehr dunkel bis schwarz. Außerdem ist der Film ein Beweis dafür, dass schlechtes Seeing (Luftunruhe) bzw. schlechte Transparenz der Atmosphäre (Cirren, Hochnebel an dem damaligen extrem schwülwarmen Sommertag) den Tropfeneffekt verstärken.
Die Kamera taugt auch, die Randverdunkelung der Sonne aufzunehmen und die Granulation abzubilden (kleiner Schwenk gegen Mitte des mehrstündigen Transits). Auch der Lomonossov-Ring, also die Brechung des Sonnenlichts in der Venusatmosphäre ist so darstellbar.
2012
Hier die Karte von NASA-Experte Fred Espenack:
Diesmal können wir in Deutschland aber offenbar den Eintritt nicht sehen, weil die Sonne da noch unterm Horizont ist (hier noch ein Link zu den aktuellen Daten). Darum habe ich drei Expeditionen ausgerüstet, die nach Sibirien bzw. Norwegen reisen werden, um den Transit (hoffentlich!!!) zu beobachten. Ende dieser Woche geht’s los: Am Freitag und Samstag werde ich in Berlin und Hamburg von einem Flughafen zum anderen eilen, um meinen Gruppen auf Astronomen-Art über die Schulter zu spucken und “Clear Skies” zu wünschen. Am Sonntag werde ich dann selbst losfliegen, um auf den Spuren des großen Jean-Baptiste Chappe d’Auteroche zu wandeln (ausführlicher Artikel im akt. Heft von SuW 6/12).
Eine Gruppe startet nach Tromsö, eine nach Krasnojarsk und eine nach Novosibirsk.
und das aktuelle Heft von SuW ist ebenfalls voll von nützlichen Tipps.
NASA-Info Video in englischer Sprache:
BEOBACHTUNGSERGEBNISSE
Genau das habe ich auch vor: Ich hoffe, dass wir mit unseren Beobachtungsdaten tatsächlich ein vernünftiges Ergebnis für die Astronomische Einheit kriegen werden. Schließe mich aber durchaus dem Beobachtungsaufruf der Niederländer und von Udo Backhaus an.
Die Beobachtung ist schon in Projektion mit sehr einfachen Mitteln machbar. Wichtig ist vor allem die sehr genaue Messung der Kontaktzeiten (unter Angabe des genauen Beobachtungsortes, also in geographischen Koordinaten).
Wer auswertbare Daten (photometrisch, spektrographisch, fotografische oder video-Aufnahmen) hat, fühle sich bitte frei, sie mir zwecks Auswertung zukommen zu lassen.
Schicken Sie die Daten gerne mit den entsprechenden Infos zum Instrumentarium an
service@fnj-online.de
CLEAR SKIES!
Gimmick
So viel Aufstand und das nur wegen einer etwas anderen “ringförmigen Sonnenfinsternis“. Die Venus ist deutlich kleiner am Himmel als unser Erdtrabant, darum verdeckt sie nur ein winziges Stückchen der Sonnenscheibe. Das nebenstehende Foto von der “echten” ringförmigen Sonnenfinsternis, bei der sich der Mond vor die Sonne stellt, aber nicht große genug ist, sie ganz zu verdecken, hat Eckehard Schmidt (Wissenschaftsreisen) kürzlich in Amerika aufgenommen.
… yes, I did! Vor wenigen Tagen durfte ich viermal Countdown zählen und vorher selbst einmal den Startknopf drücken Danach ernannte mich Direktor Dmitry Shatanov in Baikonur zur “jungen Kosmonautin” … obgleich ich leider noch gar nicht im Weltraum gewesen bin. Aber das kommt noch … vielleicht beim nächsten Mal. :-) Diesmal wurden nur viele technische Details der Vehikel begutachtet, technische Zeichnungen der Raketen studiert und Kosmonauten-Utensilien ausprobiert.
Mini-Film-Doku vom YouTube-Kanal der FNJ:
Die Chance zu diesem Besuch im Cosmodrom von Baikonur hatte sich zum Jahreswechsel recht kurzfristig ergeben. Baikonur ist heute ein kreisrundes militärisches Sperrgebiet in Kasachstan, das von Russland gepachtet wird. Die Kleinstadt mitten in der kasachischen Steppe ist nicht besonders ansehnlich: sie besteht aus Plattenbauten in sozialistischem Einheitsgrau, von denen viele halb verfallen sind. Das Haus gegenüber unserer Herberge, das ich sehe, wenn ich auf dem Balkon stehe und in den Innenhof blicke, steht offenbar leer, denn da, wo Fenster hingehören, befindet sich kein Glas, sondern Stein – augenscheinlich zugemauerte Fenster. Dahinter ragen ein paar Schornsteine in die Landschaft und Kühltürme einer Fabrik. Der Rauch der Schornsteine ist nicht etwa weiß oder hellgrau wie bei uns, sondern dunkelgrau bis schwarz. An einem Morgen hatte der Wind gedreht und der unangenehme Geruch zog zu uns herüber.
In dieser kleinen Stadt leben Menschen mit ihren Familien, sie schicken ihre Kinder zu Schule und junge Erwachsene besuchen die Universität, welche ein Zweig der Moskauer Lomonossov-Universität ist. Wer hier studiert, muss einen ans Studium anschließenden Arbeitsvertrag in der Stadt vorweisen. Für Angehörige anderer als der russischen Staatsbürgerschaft ist es jedoch sehr schwieirg, eine alternative oder auch nur eine angemessene Arbeit in dieser Stadt zu finden, sagt ein junger Absolvent der Universität Baikonur, der mich mit meiner Gruppe führt. Er kommt aus Turkmenistan, eine andere ehemalige Sowjetrepublik, die sich südlich von Kasachstan befindet.
Checkpoint: Passkontrolle, ein russischer Offizier prüft, ob auch wirklich alle Insassen des Busses auf der Einladungsliste stehen. Fotografieren natürlich streng verboten. Der Checkpoint befindet sich erst unmittelbar an der Stadtgrenze, obgleich der Zirkel um die kasachische Stadt-mit-Sonderstatus deutlich größer ist. Schließlich “regnet” es bei jedem Start ein paar Raketenteile vom Himmel – und das ist im Allgemeinen nicht gut für die Landwirte und Datschen-Inhaber mit ihren Gärten. Auch Kasachstan, außerhalb des russisch gepachteten Landes, wird von den Teilen getroffen.
Die zottigen Steppenkamele, Eselkarren und mausoleenartigen islamischen Friedhöfe, die wir am Wegrand passierten, wirken bizarr, wenn wir uns bewusst machen, dass wir hier in einem der großen Weltraumbahnöfe dieser Erde stehen. Kurz nach der Einfahrt in die Stadt sehen wir bereits einige Monumente: da liegt – leicht aufwärts geneigt – eine echte Sojus-Rakete auf einem steinernen Sockel. Weiters gibt’s noch ein paar militärische Raketen, aber ich bin ja eher Weltraum-Freak.
Das 1:1-Sputnik-Modell habe ich im Stadtmuseum fotografiert, das übrigens beeindruckend gut kuratiert ist. Hier werden nicht nur die Geschichte der Stadt, sondern auch die Geschichte der sowjetischen und russischen Raumfahrt behandelt. Die Ausstellung ist wirklich sehr hübsch gestaltet und eine sehr kompetente und freundliche Dame, die entfernt an Tamara Jagellovsk aus Raumpatrouille Orion erinnert, führt uns englisch-sprachig durchs Raumfahrtmuseum.
Das staatliche Lyzeum hier in der Stadt hat selbstverständlich einen Ausbildungsschwerpunkt in technisch-naturwissenschaftlicher Richtung. Bei den Raketenbau-Wettbewerben, die sie veranstalten, geht’s darum, Modelle echter Raketen möglichst originalgetreu nachzubauen und dabei dann auch noch funktionstüchtig zu machen: Ein Lehrer dieser Schule wurde 1987 (also vor dem Fall des Eisernen Vorhangs!) beim Austragungswettbewerb in Florida mit seiner funktionstüchtigen dreistufigen 30 cm hohen Sojus-Rakete Weltmeister in dieser Kunst.
Da ich im Rahmen der außerschulischen Jugendarbeit (leider immernoch ein Ehrenamt) bereits seit 2008 mit seiner Novosibirsker Partnerschule zusammenarbeite, freut es mich ganz besonders, dass ich nun auch diese Partner in ihrer Heimatstadt besuchen lann. Ich bin mit Fachkräften der Jugendarbeit mit einer Delegation von 7 weiteren Jugendleitern unterwegs und unsere Mission ist es, hierher unsere Kontakte zu ergänzen. Die Mission ist geglückt: Wir haben diesen Kontakt erfolgreich geknüpft. Nächstes Jahr wollen wir wiederkehren und mit unseren Partnern SpaceCamps hier veranstalten.
Die Allee der Kosmonauten führt von dem Hotel, in dem die Raumfahrenden vor ihren Flügen nächtigen zu einem Aussichtspunkt, an dem ein verkleinertes Modell einer Proton-Rakete steht. Die Allee wird von Bäumen gesäumt, die von Kosmonauten gepflanzt wurde: vorne links steht der Baum von Juri Gagarin, ebenfalls links folgen später die Bäume von Valentina Tereschkova und Alexej Leonov… auf der rechten Seite lesen wir auch Namen von amerikanischen Kosmonauten.
“Baikonur” heißt das russische Kosmodrom tatsächlich erst seit 1995 – und zwar nach einem kasachischen Dorf ähnlichen Namens nördlich von hier, in dessen Nähe nach dem Zweiten Weltkrieg ein “Fake”-Kosmodrome errichtet worden war.Die Sowjets wollten das echte Kosmodrome natürlich streng geheim halten und versuchten mit der Fake-Variante das kapitalistische Ausland zu täuschen. Tatsächlich wurde das Kosmodrome jedoch 1955 an seiner heutigen Stelle östlich des Aralsees am SyrDarja-Fluss gegründet.
In dem Kosmonauten-Hotel gibt es vier Zimmer, in denen die Kosmonauten typischerweise untergebracht werden. Sie signieren nach ihrem Aufenthalt die Türen, so dass man weiß, wer wo gewohnt hat. (Die Türen wurden zwischenzeitlich auch schon einmal gewechselt, so dass z.B. Sigmund Jähns Unterschrift hier nicht mehr zu finden ist: Die Tür mit seiner Signatur steht inzwischen in einem Museum.) Ich habe eines der Betten auch mal zum Probeliegen genutzt … man kann ja nie wissen: :-) Im Konferenzraum unten im Hotel haben meine reizende kasachisch-stämmige Assistentin und ich auch schon mal posiert. Vielleicht bahnt sich ja eine Kooperation an:
Ab nächstem Jahr wollen wir unsere deutsch-russischen SpaceCamps für Jugendliche (die ich 2007 mit Werner Bachmann im FEZ-orbitall in Berlin erfunden habe) hier in Baikonur veranstalten!
Dem Direktor der International Space School überreichten wir Gastgeschenke: einen Himmelsatlas, einen kleinen Sternglobus und diverse didaktische Spielzeuge sowie deutsche Marzipan-Pralinen. Er freute sich sehr darüber mich durchströmte das gute Gefühl, hier etwas wirklich Wichtiges und Nützliches zu tun!
Jugendbegegnungen direkt am Herzen der Raumfahrtgeschichte!
Pech hatten wir insofern, als dass es einerseits trübes Wetter war, teilweise Schnee fiel und uns andererseits leider – unverständlicherweise – die Permits verweigert wurden für einen Besuch der Montagehallen von Buran und Energija, die wir eigentlich besichtigen sollten. Buran war ein sehr erfolgreiches Programm, nur leider zu Zeit des Sowjet-Zusammenbruchs Mitte/ Ende der 1980er Jahre zu teuer, um ernsthaft betrieben zu werden. Im Stadtmuseum von Baikonur steht aber das Modell vor einem seiner Fallschirme als Wandvorhang. Den 1:1 großen Buran hatte ich ja bereits vor vier Jahren in Moskau am Ufer der Moskwa gesehen.
Wie kommt man eigentlich nach Baikonur?
Mit dem Bus: Zirka vier Stunden Busfahrt über holprige Sand-Schlamm-Eis-Pisten vom nächstgelegenen kasachischen Flughafen in Kyzyl Orda. Diesen wiederum erreichten wir mit der täglich pendelnden Maschine von der Hauptstadt Kasachstans, Astana.
Ich bin von ganzem Herzen glücklich, dass meine handverlesene deutsche Jugendleiter-Delegation in Baikonur nach den ersten Startschwierigkeiten dennoch mit so offenen Armen herzlich empfangen wurden!
Ich freue mich schon auf die nun anberaumten schulischen und außerschulischen Jugend-Austauschprojekte, von denen auch meine Lehramt-Studierenden profitieren sollen!
Astana als Hauptstadt wurde erst in der letzten Dekade aufgebaut, vorher gab es an dieser Stelle nur ein unscheinbares Dorf. Die Architektur dieser Stadt wirkt entsprechend futuristisch. Wir waren uns einig: Man kommt sich vor, wie live-haftig in einem ScienceFiction-Film. Von da aus flogen wir jedoch wieder über Moskau nach Hause in die relative Vergangenheit: Unser Flug startet in Moskau um 9:20 und landete in Berlin um 8:55 … also, die deutsche Gegenwart hat uns wieder! :-)
faszinierende atmosphärische Erscheinungen in Astana: 22°-Halo, Nebensonnen, teilweise 46°-Halo, Zirkumzenitalbogen (zumindestens ansatzweise) …
BTW: Die Rückreise über Kyzyl Orda, Astana und Moskau dauerte etwa 29 Stunden.
trilaterale Astro-Jugendbegegnung: Internationale Zusammenarbeit ist in der Astronomie seit je her ganz groß! Darum: Sei dabei beim russisch-norwegisch-deutschen Astro-Camp in Berlin vom 21.07. bis 28.07. dieses Jahr. TN-Bedingung: zwischen 14 und 27 Jahre jung. :-) Natürlich wird der Venustransit da ein ganz großes Thema sein. Betreut wirst Du von geschulten Pädagogen, die sagenhaft witzig drauf sind und mit denen es superviel Spaß macht, Berlin, Potsdam und das Hollywood der 1920er Jahre zu erkunden.[@more@]
Venustransit? … also, wer noch nichts vom Venustransit 2012 gehört/ gelesen hat, ist wahrscheinlich kein Astronom. :-) Die Venus wandert vor der Sonnenscheibe entlang – also sowas wie eine ringförmige Sonnenfinsternis, nur mit sehr geringem Bedeckungsgrad. :-)
Längst bekannt sind den Kundigen gewiss die zahlreichen historischen Expeditionen zu diesem Thema: manche Astronomen haben ihn ihrem Leben zwei Venustransits gehabt, sind dafür um die halbe Welt gereist und haben doch zweimal Wetter-Pech gehabt. Andere Astronomen haben hingegen nicht einen einzigen Venustransit in ihrem Leben wirklich erlebt, aber sie haben die Ergebnisse von anderen, erfolgreichen Beobachtern genutzt und aus deren Beobachtungsdaten geschickt neue Erkenntnisse über unsere Welt gewonnen.
Solche Methoden sind sagenhaft raffiniert und heutzutage oft mit “einfacher” Schulmathematik nachvollziehbar. Das haben wir vor, wenn wir uns in Berlin treffen: Wir wandeln auf den Spuren des einstigen Berliner Sternwartendirektors Johann Encke und vermessen das Sonnensystem neu … genauer gesagt, messen wir die Astronomische Einheit, den Abstand der Erde von der Sonne und skalieren mithin das Sonnensystem absolut.
Encke war ein ausgesprochen nordisches Gewächs: Er stammte aus der Freien und Hansestadt Hamburch ;) und nur der Job hatte ihn ins preußische Berlin verschlagen. Die Berliner Sternwarte hatte seinerzeit allerdings exzellenten Ruf in der Welt der Wissenschaft und mithin war Encke hier genau am richtigen Fleck.
In unserer Jugendbegegnung wollen wir die Entdeckungen von Encke nachvollziehen: Wir spielen ein paar Eckdaten der Wissenschaftgeschichte nach und werten natürlcih dieses Jahr auch den Venustransit aus – selbst wenn die deutschen Kultusminister sich beim Festlegen der Ferientermine leider nicht nach diesem seltenen astronomischen Ereignis gerichtet haben und wir am 06.06. eben leider keine Ferien haben.
Aber was soll’s: Encke hatte den Transit ja auch nicht selbst gesehen, sondern hat nur die Daten gehabt und ausgewertet. Kepler übrigens auch, als er seine Keplerschen Gesetze fand (die man braucht, um die A.E. zu berechnen). Kepler selbst hatte sogar sehr schwache Augen und war darauf angewiesen, dass andere Leute an seiner statt beobachten… so ist das nunmal in der Welt: “Jeder ein Genie”, aber eben jeder auf seine Art.
Auf geht’s zum Venustransit-Auswerten und Nachspielen in Berlin:
Termin: 21. bis 28.07.
TN-Bedingung: a) Interesse am Thema, b) gute Laune, c) zwischen 14 und 27 Erdenjahre alt
Anmeldeformular und Adresse sowie weitere Infos: fnj-online.de
Anmeldeschluss: 08. April 2012 (für die Maßnahmen im Ausland bereits der 21. März)